Bildungskampagne in Gütersloh und Tansania:

Wer Lesen kann, ist klar im Vorteil!

Der Kirchenkreis Gütersloh unterstützt im Rahmen seiner Tansania-Partnerschaft eine auf 2 x 3 Jahre angelegte Alphabetisierungskampagne seiner tansanischen Partner in der entlegenen, wirtschaftlich benachteiligten Partnerregion Karagwe im Grenzland zu Ruanda und Uganda.

Lesen und Schreiben zu können ist dort keine Selbstverständlichkeit. Trotz allgemeiner Schulpflicht und kostenloser Grundschulbildung bleibt es Vielen verwehrt. Denn die Schuluniform und Lernmaterial können sich nicht alle leisten, und viele Kinder müssen zur Verbesserung des Familieneinkommens arbeiten statt zur Schule zu gehen. Vor allem Frauen und Mädchen sollen von der Kampagne profitieren. Mehr Selbstständigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ist das Ziel. Nach Ansicht von ... sogar das wirksamste und billigste Mittel zur Bekämpfung der weltweiten Armut, wirksamer als das Verteilen von Lebensmittel. Es ermöglicht Menschen sich selbst zu helfen, Zugänge zu Informationen zu bekommen, Zusammenhänge zu verstehen und ihre Lebensbedingungen zu verändern.

Das sorgfältig geplante Projekt soll möglichst viele Menschen in den Kirchenkreisen Murongo und Kyerwa der Ev.-Luth. Kirche in Tansania erreichen. Neun Klassen mit jeweils rund 100 Erwachsenen werden eingerichtet. Lehrpläne wurden entwickelt, 15 Lehrer und 5 Lehrerinnen aus der Umgebung wurden verpflichtet (halb ehrenamtlich, halb gegen Lohn) und eigens dafür geschult. Ein paar Motorräder wurden als Transportmittel angeschafft und natürlich Lehrbücher, Möbel, Tafeln, Kreide... Wer sich Stift und Heft nicht leisten kann, bekommt Hilfe von der Kirche.

Start mit großem Schwung
In Kirchen, Moscheen und auf Dorfversammlungen wurde die Kampagne angekündigt. Im Oktober 2021 konnte man sich anmelden, und schon nach 10 Tagen waren mit über 550 Personen 61 Prozent der erhofften Zahl erreicht, darunter doppelt so viele Frauen wie Männer. Bis Mitte November haben sich 253 Männer und 511 Frauen einschreiben lassen, und auch nach Beginn der Kurse stoßen noch Menschen dazu, vor allem in Gebieten, in denen die Schulbildung aufgrund der großen Entfernungen zu den Schulen und der zu erklimmenden Berge traditionell schwierig ist.
Der Unterricht findet am Spätnachmittag statt, wenn die Hauptarbeit in Haus und Feld getan ist, und in Nachbarschaftshilfe die Kinder versorgt werden können, während die Mütter im Kurs sind.
„Die Wertschätzung seitens staatlicher Stellen übersteigt unsere Erwartungen“, berichtet der Koordinator. Aber er stellt auch fest: „Personen, die sozial und wirtschaftlich einen hohen Status in der Gemeinde haben, aber Analphabeten sind, scheuen sich, einen Kurs zu besuchen.“ An einigen Klassen nehmen auch schon Zehnjährige teil, weil sie bereits die Chance verpasst haben, im formalen Bildungssystem registriert zu werden.

Unerwartete Herausforderungen
Manchmal muss spontan ein Plan geändert werden. Als zum Beispiel eine Klasse in einer Kirche direkt neben einer Polizeistation eingerichtet wurde, musste ein neuer Ort für die großen Klassen gefunden werden. Denn hierhin wagten sich nur wenige Teilnehmer. Noch nicht alle haben die erst kürzlich eingeführte nationale Identifikationskarte, und es kann in Grenznähe fatale Folgen haben, wenn man sich nicht als Staatsbürger ausweisen kann. Für Klassen im Freien braucht man Schutzplanen gegen Sonne und Regen. Und noch sind die Lehrbücher aus Daressalam nicht im fernen Westen angekommen und man muss sich mit teuren Kopien behelfen.
Auch die derzeitigen, eigentlich hochwillkommen Regenfälle machen ausgerechnet den ärmsten Familien auf den entlegensten kleinen Hofstellen Probleme. Sie erschweren die oft stundenlangen Wege, so dass sie tagelang warten müssen, bis der Rückweg möglich ist. So fehlen sie zuhause in der Arbeit. An einer Lösung wird gearbeitet.

Berührende Berichte
Die Kommunikation zwischen Gütersloh und Karagwe ist eingespielt und jetzt besonders intensiv. Monatlich kommen Berichte, auch mit persönlichen Nachrichten mit der Bitte um Veröffentlichung (siehe unten). Gefreut haben sich die Gütersloher über ein Video. Kursteilnehmer*innen in Rugasha singen: „Mit Lesewissen kann man Abhängigkeiten vermeiden und seine Geheimnisse bewahren.“

Die Alphabetisierungskampagne wird in der Pilotphase der ersten drei Jahre von Brot für die Welt gefördert; auch die Vereinte Evangelische Mission steuert einen Zuschuss bei. Über 50 Prozent trägt der Kirchenkreis. Spenden sind willkommen!

Der Kirchenkreis will nicht nur finanziell bei dieser wichtigen Arbeit helfen, sondern gleichzeitig den Blick schärfen für unseren eigenen Kontext. Auch hier gibt es Menschen, die nicht (ausreichend) Lesen und Schreiben können und dadurch benachteiligt sind. Auch hier gilt: Wer Lesen kann, ist klar im Vorteil! Während der Projektlaufzeit wird ausgelotet, was wir als Kirche vor Ort mit welchen Kooperationspartner*innen tun können. Es sind einige Veranstaltungen geplant.

 

Vicent Ematus, 42 Jahre: „Ich kam im Alter von 10 Jahren als Hausboy ins Dorf Murongo. Mein Arbeitgeber ließ mich zur Schule gehen. Jetzt bin ich unabhängig, verheiratet und habe eine eigene kleine Landwirtschaft mit einem eigenen Haus. Ich habe durch meinen Nachbarn von den Alphabetisierungskursen gehört und war der erste, der sich in Murongo angemeldet hat. Ich möchte Kisuaheli (Anm.: die Landessprache; daneben gibt es viele lokale Sprachen) lernen, weil ich den Fernseh- und Radioprogrammen nicht folgen kann; ich kann mit meinem Handy keine Nachrichten verschicken oder lesen, was mich von meinem Freund abhängig macht. Ich kann keine Geheimnisse haben! Ich kann auch meine Freunde in der Gemeinde Shinyanga nicht besuchen, weil ich weder Straßenschilder noch Straßennamen lesen kann.“

Jonaster Mugisha, 43 Jahre: „Ich wurde in Mabira, 30 Kilometer entfernt, in einer polygamen Familie geboren. Meine verstorbene Mutter war die erste Frau und ich war ihr siebtes Kind. Die ersten sechs Kinder waren Jungen und durften alle zur Schule gehen. Mein Vater weigerte sich, mich zur Schule zu schicken, nur weil ich ein Mädchen war! Ich fühlte mich diskriminiert und erniedrigt. Meine Mutter beschwerte sich erfolglos. Mit 18 Jahren wurde ich verheiratet und bin bereits mit sechs Mädchen und einem Jungen gesegnet. Ich bin fest entschlossen, alle meine Kinder zur Schule zu schicken. Der Erstgeborene hat bereits einen Abschluss! Mein Mann ist ebenfalls Analphabet, aber er hat mir erlaubt, die Alphabetisierungskurse der Erwachsenenbildung zu besuchen. Ich fühle mich verletzlich, weil ich die Nachrichten meiner Kinder nicht lesen kann; ich kann kein Geld zählen und somit nicht einmal kleinste Geschäfte machen, ich kann die von der Kirche angebotenen Seminare z. B. zu Gesundheit und Landwirtschaft nicht besuchen. Vor allem möchte ich Kisuaheli lernen. Ich bin bereit, an Alphabetisierungskursen teilzunehmen, auch wenn es täglich ist.“

Wofür wir uns engagieren

Alphabetisierungsprojekt

Förderung von AIDS-Waisen

HIV/ AIDS - Aufklärungsprogramme

Schulgeld und Schulkleidung - Unterstützung von Schulkindern armer Familien

Ausbildungsbeihilfen - Finanzierung der Ausbildung von 10 Auszubildenden pro Ausbildungsjahr in handwerklichen Berufen im Jugend-Ausbildungszentrum Nkwenda (siehe www.netzwerk-nkwenda.de)

Finanzierung von Neubauten und Reparaturen der Dächer von Kirchen, Gemeinde- und Pfarrhäusern

Medikamentenkauf für Gesundheitsstationen